Wären nicht auch die im Zuge der Corona-Rechtssprechung (Bundesnotbremse II) festgestellten Rechte auf Schule kollidierende Rechte von Verfassungsrang, wenn (wie zu ermitteln wäre) der Niqab eine Kommunikation der Schüler untereinander - gerade im Hinblick auf moderne Unterrichtsmethoden wie Gruppenarbeit und Diskussionen im Plenum - erschwert werden würde?
Das BVerfG hat zwar in seiner Entscheidung zur sog. Bundesnotbremse zu Schulschließungen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf schulische Bildung entwickelt (BVerfG RÜ 2022, 35, 42). Dieses Recht richtet sich jedoch primär gegen den Staat. Inwieweit sich aus dem Grundrecht auf schulische Bildung auch Abwehransprüche gegen Dritte herleiten lassen, ist bislang nicht geklärt. Im Übrigen dürfte hier die negative Glaubensfreiheit der anderen Schüler als spezielles Grundrecht gegenüber dem allgemeinen Recht auf schulische Bildung vorrangig sein.
@@alpmann_schmidt Vielen Dank! Den ersten Punkt kann ich nachvollziehen, aber er wäre ja sicher spannend zu diskutieren. Den Punkt bzgl des spezielleren Grundrechtes verstehe ich nicht ganz, sind doch die Schutzrichtungen völlig andere: während das Recht auf schulische Bildung die Umstände des Lernen im spezifisch schulischen Kontext schützt, schützt doch die negative Religionsfreiheit die allgemeine Freiheit vor religiösen Einflüssen, hier im Sonderrechtsverhältnis Schüler-Schule (mithin also die fehlende Ausweichmöglichkeit, die sonst im Alltag gegeben wäre).
@@MaxHanf11 Die Frage nach den Grundrechtskonkurrenzen ist in der Tat noch weitgehend ungeklärt. Selbst wenn man das Recht auf Bildung für einschlägig halten wollte, liegt der Schwerpunkt im Fall eindeutig auf der negativen Glaubensfreiheit. Unabhängig davon würde sich an der Abwägung im Ergebnis nichts ändern.
Hallo! Anknüpfungspunkt für die Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, die wiederum entscheidend von der Rechtswidrigkeit der Anordnung gegenüber M abhängen. Art. 4 GG hat dabei aber nur mittelbar Bedeutung, da nicht in die Glaubensfreiheit der Mutter als Adressatin der Anordnung, sondern in das Grundrecht der Tochter aus Art. 4 GG eingegriffen wird.
Wieso prüfen wir nicht erstmal die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der AO der sofortigen Vollziehung?
Super
Wären nicht auch die im Zuge der Corona-Rechtssprechung (Bundesnotbremse II) festgestellten Rechte auf Schule kollidierende Rechte von Verfassungsrang, wenn (wie zu ermitteln wäre) der Niqab eine Kommunikation der Schüler untereinander - gerade im Hinblick auf moderne Unterrichtsmethoden wie Gruppenarbeit und Diskussionen im Plenum - erschwert werden würde?
Das BVerfG hat zwar in seiner Entscheidung zur sog. Bundesnotbremse zu Schulschließungen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf schulische Bildung entwickelt (BVerfG RÜ 2022, 35, 42). Dieses Recht richtet sich jedoch primär gegen den Staat. Inwieweit sich aus dem Grundrecht auf schulische Bildung auch Abwehransprüche gegen Dritte herleiten lassen, ist bislang nicht geklärt. Im Übrigen dürfte hier die negative Glaubensfreiheit der anderen Schüler als spezielles Grundrecht gegenüber dem allgemeinen Recht auf schulische Bildung vorrangig sein.
@@alpmann_schmidt Vielen Dank! Den ersten Punkt kann ich nachvollziehen, aber er wäre ja sicher spannend zu diskutieren. Den Punkt bzgl des spezielleren Grundrechtes verstehe ich nicht ganz, sind doch die Schutzrichtungen völlig andere: während das Recht auf schulische Bildung die Umstände des Lernen im spezifisch schulischen Kontext schützt, schützt doch die negative Religionsfreiheit die allgemeine Freiheit vor religiösen Einflüssen, hier im
Sonderrechtsverhältnis Schüler-Schule (mithin also die fehlende Ausweichmöglichkeit, die sonst im Alltag gegeben wäre).
@@MaxHanf11 Die Frage nach den Grundrechtskonkurrenzen ist in der Tat noch weitgehend ungeklärt. Selbst wenn man das Recht auf Bildung für einschlägig halten wollte, liegt der Schwerpunkt im Fall eindeutig auf der negativen Glaubensfreiheit. Unabhängig davon würde sich an der Abwägung im Ergebnis nichts ändern.
@@alpmann_schmidt Erneut vielen Dank! Es ging auch mehr um akademisches Interesse und weniger um konkrete Klausurtaktik :)
Wieso kann man nicht einfach im Rahmen der Interessenabwägung Art. 4 GG ins Spiel bringen?
Hallo! Anknüpfungspunkt für die Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, die wiederum entscheidend von der Rechtswidrigkeit der Anordnung gegenüber M abhängen. Art. 4 GG hat dabei aber nur mittelbar Bedeutung, da nicht in die Glaubensfreiheit der Mutter als Adressatin der Anordnung, sondern in das Grundrecht der Tochter aus Art. 4 GG eingegriffen wird.
@@alpmann_schmidt Danke!