Tillmann geht für drei Jahre auf die Walz.

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  • Опубликовано: 29 сен 2024
  • Freudenberg. Das mit dem Erwachsen werden hat der 21-jährige Tillmann Quandel aus Freudenberg schon richtig angepackt, nach Schreiner-Ausbildung und der bestandenen Gesellenprüfung soll nun der nächste Schritt ins Berufsleben folgen. Das erlernte Handwerk in alter Tradition perfektionieren, ist bei den Holzverarbeitenden Gesellen ein mühsamer Weg. Dieser Berufsweg führt die jungen Menschen für drei Jahre und einen Tag weit weg von Zuhause, sie gehen auf die Walz.
    Mit einer zünftigen Abschiedsfeier startete Tillmann am Freitagabend seinen neuen Lebensabschnitt in der väterlichen Schreinerwerkstatt an der Krottorfer Straße. Das „Losbringen" wurde natürlich mit seinen Handwerksbrüdern des Rolandsbruder-Schachtes „zelebriert". Neben der traditionsreichen Kluft bekommt der Wandergeselle auch seinen Ohrring. Der Zunft-Ohrring wurde vom Exportgesellen Dennis Schneider frd Rolbr (Fremder Rolandsbruder) ans Ohr gesteckt. Diese Zeremonie wirkt auf Außenstehende etwas Martialisch, denn das Loch im Ohrläppchen, wird mit einem alten Zimmermannsnagel ins Fleisch getrieben. Vater von Papa Martin Quandel hat diesen besonderen Nagel aus der alten Freudenberger Stadtapotheke nach Bauarbeiten retten können. Das tragen des wertvollen Ohrrings hatte Früher einen ganz praktischen Hintergrund. Sollte der Wandergeselle auf seiner Walz (Reise) versterben, so waren die Kosten seiner Beerdigung und ein ordentliches Begräbnis mit dem Ohrschmuck zu bezahlen.
    Der Exportgeselle Dennis Schneider begleitet den Aspiranten Tillmann während der nächsten Monate bis die Reife gegeben ist, allein auf die Walz zu ziehen.
    Die zünftige Kluft eines Wandergesellen besteht aus Kord- oder Manchestersamt-Hose, Weste, Rock und Hut, diese Kleidungsstücke sind schwarz gehalten. Ein möglichst blütenweißes Hemd bildet den Kontrast der Kleidung. Weiß schimmern auch die Perlmuttknöpfe, die in zwei oder auch vier Reihen Weste und Jacke mehr als Schmuck als zum Knöpfen dienen. Weiß ist auch die leinene Reiserolle, auch Charlottenburger genannt. Blau ist hingegen die Farbe des übergroßen Taschentuchs mit dem die Reiserolle eingeschlagen wird. Die als „Ehrbarkeit" bezeichnete Schnurkrawatte wird bei den einzelnen „Schächten" in unterschiedlichen Farben getragen.
    Vom Fremden Rolandsbruder bekommt Tillmann Quandel auch die wichtigen Verhaltensregeln für seinen „zweiten Beruflichen Bildungsweg" erklärt und auferlegt. Neben der feierlichen Anbringung des Ohrrings und der einzuhaltenden Kleiderordnung, darf der Aspirant seinem Elternhaus und seiner Heimat nicht näher als 60 Kilometer kommen. Dies gilt für die Zeit seiner Wanderschaft von drei Jahren und einem Tag. Verpönt sind Handy oder iPhone, anrufen und telefonieren darf der Wandergeselle nur aus der Telefonzelle. Eine „altmodische" Postkarte an Eltern oder Freunde sind allerdings erlaubt. Der heutige Wanderbruder braucht kein eigenes Werkzeug mehr mitschleppen. Sein „Bündel" mit Waschzeug und einem Hemd zum wechseln trägt er aber auch heute noch auf seiner Wanderschaft.
    Nach der ausgiebigen Abschiedsparty in der elterlichen Werkstatt, kletterte Aspirant Tillmann Quandel am Samstagmittag über das Ortsschild seiner Heimatstadt Freudenberg, und wurde von Dennis Schneider seinem Rolandsbruder „Losgebracht". Vor dem überklettern des Ortsschildes wurden Wanderstock und Bündel geworfen und mit Beifall der Umstehenden begleitet. Mit 89 Jahren begab sich Opa Walter Bäumer an die Stadtgrenze, als alter Schreinergeselle wollte auch er dabei sein, wenn Enkel Tillmann für 1.096 Tage auf die Walz geht, und nach einer letzten Umarmung nicht mehr zurückschaut.

Комментарии • 15

  • @manuelaschmid2741
    @manuelaschmid2741 3 года назад +8

    Hut ab vor allen Wandergesellen!!!!!!!!

  • @chrisw5817
    @chrisw5817 5 лет назад +8

    Und wie geht die Geschichte ausgegangen? Die drei Jahre und der eine Tag sind schon längst vorbei....!

  • @ribsmastersauerland4362
    @ribsmastersauerland4362 7 лет назад +6

    Gott zum Gruße, dem Gesellen zur Ehr.!!!

  • @Klaus312
    @Klaus312 9 лет назад +6

    Find ich richtig klasse!

  • @NonameNoname-pm9iz
    @NonameNoname-pm9iz 5 лет назад +2

    хорошо, что остались ещё люди, которые уважают традиции предков!
    уже шесть лет прошло, кто знает ребята вернулись домой, у них всё в порядке?

  • @MrScandiLeon
    @MrScandiLeon 8 лет назад +10

    Ein sehr gute alte Tradition die Gott sei Dank wieder kommt. Mein Grossvater, seine Brüder und alle seine Vorfahren waren Handwerker und jeder ging diese "3Jahre und 1 Tag" auf die Walz. Meistens waren sie aber länger unterwegs. Die Volksschule hatte nur sieben Klassen und diese jungen Leute beendeten die Schule mit 13, kamen dann drei Jahre in die Lehre und gingen dann mit 16 auf die Walz. Das war der "Feinschliff" fürs Leben. Absolute Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Tugend, Fleiss usw waren die Voraussetzung. Benahm sich einer daneben, wurde ihm der Ohrring heraus gerissen und die Wunde mit Salz, Essigessenz und Pfeffer infiziert, sodass ein "Schlitzohr" entstand und er gezeichnet war.
    Dann durfen sie ja nur eine bestimmte Zeit arbeiten und mussten dann wieder Wandern wenn keine Arbeit angesagt war! Durch die ständigen Wechsel der Regionen und Arbeitgeber erlernten sie sehr viele neue Techniken und Fähigkeiten, die sie aber auch wieder in andere Betriebe weiter gaben. Ein unvorstellbarer Technologie-Transfer von dem die Meister und Gesellen voneinander profitierten. In der DDR war es ganz verboten und wenn einer angetroffen wurde, hat man ihn wegen "Landstreicherei" eingesperrt.
    Persönlich traf ich Wandergesellen in ganz Europa, Skandinavien, USA, Canada und die letzten beiden in Kaikoura, auf Neuseelands Südinsel. Leider gab es in meinem Beruf diese Möglichkeit nicht zu Wandern, sonst hätte ich es auf jedenfall gemacht.
    Da gab es mal in den 1990ern im TV eine gute Serie, die immer Sonntagsfrüh gesendet wurde "Zwei zum Verlieben" das waren zwei Wandergesellen, gute Freunde, zusammen auf der Walz. Das war ARD oder ZDF, was andres gab es nicht bei uns.

  • @anakin8782
    @anakin8782 10 лет назад +3

    ´So lernen " Die Jungs " am besten. Hut ab, das sollte man in allen Handwerksberufen einfühen, des Standes wegen, denn da lernt man am besten.

    • @mibnsharpals
      @mibnsharpals 8 лет назад

      +anakin reliag (mjoelnir77) :-) aber nur wenn die autobahnzubringer verbreitert werden ....
      stelle mir das gerade so vor, wenn überall schlangen an der auffahrt sind ....

  • @holgerwillems153
    @holgerwillems153 10 лет назад +3

    Die Walz ist für den Tippelbruder prägent.Wer nie wegfährt,kommt auch nie nach Hause.Ich war selber" frei reisend."Das war meine schönste Zeit.

    • @HouseDuke
      @HouseDuke 10 месяцев назад

      Ich bin leider einige Jahre zu alt, aber beneide die Leute um diese Tradition und Gelegenheit! Hätte ich das früher gewusst, ich wäre womöglich selbst auf Tippelei gegangen!

  • @Chris-iu5ol
    @Chris-iu5ol 8 лет назад +2

    Wasn Quatsch zu erzaehlen, vom Vater, zu seiner Zeit sei das nicht so gewesen! Er hat es halt nicht gemacht. Ist ja OK ! Aber heute sind ja wohl weniger unterwegs als frueher auch wenn es gerade Gott sei Dank eine Renaissance erleben mag.Good on ya Tillman (wie man hier so sagt)!

    • @mibnsharpals
      @mibnsharpals 6 лет назад +2

      leider nicht, die route der gesellen zieht sich immer mehr zusammen. Gefühlt triffst du in münchen,berlin und anderen metropolen viele, aber außerhalb immer weniger und in HH auch nicht mehr so viele, wie vor 30 jahren. :-( Ich binn im frühjahr und herbst immer unterwegs und sammle dann auch für meine statistik die siegel und frag dann auch nach, wie viele so ziehen.
      Bisher binn ich auf etwa 400 gekommen.

    • @monkeydank7842
      @monkeydank7842 3 года назад +1

      Die ideale Verbindung zwischen Tradition und Globalisierung.

  • @werwolf7319
    @werwolf7319 10 лет назад +4

    feine kerle sehr schön

  • @tokolapako2785
    @tokolapako2785 7 лет назад

    wann kommt der wieder?