Eine Ticket-Kontrolle entgleist: SBB büssen Autistin

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  • Опубликовано: 31 мар 2020
  • Kassensturz vom 18.09.2018
    Eine junge Autistin gerät in der S-Bahn in eine Billett-Kontrolle. Sie befindet sie sich statt in der 2. in der 1. Klasse. Weil sie vor der Kontrolle wegläuft, schickt ihr die SBB eine Busse über 240 Franken.
    Ihre Mutter informiert den Kundendienst über den Autismus und die Urteilsunfähigkeit ihrer Tochter.
    Bei Urteilsunfähigkeit kann die SBB gar nicht büssen, kritisiert der Behinderten-Dachverband.
    Nach Intervention von «Kassensturz» hat die SBB die Busse nun zurückgezogen.
    Die neunzehnjährige Sonam Y. leidet an sogenanntem «frühkindlichen Autismus», eine der häufigsten Formen von Autismus. Sie hat grosse Mühe beim Kommunizieren und im Sozialverhalten. «Sie lebt in ihrer eigenen Welt», sagt ihre Mutter Pema.
    Selbstständiges Pendeln bedeutet Autonomie
    Doch Sonam kann auch sehr vieles leisten. Sie arbeitet in den Werkstätten des Vereins Zürcher Eingliederung. Am Webstuhl ist sie die Schnellste. Dass sie ihren Arbeitsweg alleine bewältigen könne, sei enorm wichtig, sagt Udo Pfeil, Sozialpädagoge und Betriebsleiter der Werkstätten: «Für unsere Mitarbeitenden ist es wichtig, ein Höchstmass an Selbstbestimmung, an Teilhabe und Integration verwirklichen zu können.» Mobilität sei dazu eine Voraussetzung: «Sonst ist man abgeschnitten vom öffentlichen Leben.»
    Billett-Kontrolle entgleist
    Doch ein Vorfall gefährdet Sonams Mobilität und Autonomie. Im Juli sitzt sie auf dem Heimweg in der ersten statt der zweiten Klasse. Dann gerät sie in eine Billett-Kontrolle. Die Situation überfordert sie offenbar, denn sie läuft davon. Warum das alles so passiert ist, ist nicht klar. Sonam hat nie über den Vorfall gesprochen, auch mit ihrer Familie nicht.
    Flucht vor Kontrolle ist nachvollziehbares Verhalten
    Ihr Betreuer Udo Pfeil glaubt nicht, dass Sonam aus böser Absicht in der falschen Klasse sass. Im Gegenteil sei das für Autisten ein durchaus nachvollziehbares Verhalten. Wahrscheinlich habe eine Stresssituation bestanden, vielleicht sei die zweite Klasse überfüllt gewesen und Sonam habe sich in die erste Klasse zurückgezogen. Autisten haben grosse Mühe mit zu vielen Reizen.
    «Die anschliessende Flucht zeigt eben auch, wie hoch der Stresspegel für sie war. Sie hat am Ende keine andere Strategie für diese Situation gefunden», so der Sozialpädagoge.
    Sonams Mutter erfährt erst Wochen später vom Vorfall, als nämlich die SBB eine Busse über 240 Franken schickt. Für das «fahren ohne gültigen Klassenwechsel» verrechnet das Service-Center Einnahmen mehrere Zuschläge. Darunter 100 Franken für sogenannten «Missbrauch», dies weil Sonam weggelaufen ist.
    Ihre Mutter erschrickt über die Höhe der Busse. «Ich dachte, dies sei nicht richtig. Ich werde dem Kundendienst erklären, was für eine Behinderung meine Tochter hat.»
    In mehreren Mails erklärt sie die besondere Situation ihrer Tochter und dass diese nicht urteilsfähig sei. Ein Arztzeugnis bestätigt die Diagnose «frühkindlicher Autismus». Die SBB senkt die Busse danach «aus Kulanz» um 100 Franken, besteht jedoch auf Bezahlung der restlichen 140 Franken. Dies ist für die Mutter unverständlich, sie fragt nochmals nach.
    Haltung des Kundendienstes unverständlich
    Man habe die Situation noch einmal geprüft, ein weiteres Entgegenkommen sei aber nicht möglich, schreibt die SBB. Reisende seien selber verantwortlich für ein gültiges Ticket. Man nehme zum Fall keine weitere Stellung mehr. Für Sonams Mutter ist diese Haltung noch unverständlicher: «Der SBB-Kundendienst schreibt, die Selbstkontrolle gilt für alle gleich. Aber die Menschen sind nicht alle gleich.»
    Behinderten-Dachverband gibt Mutter Recht
    Dieser Meinung ist auch Caroline Hess-Klein, Chef-Juristin des Behinderten-Dachverbandes Inclusion Handicap. Gehe man davon aus, dass die betroffene Frau nicht urteilsfähig sei, dann dürfte die SBB keine Zuschläge erheben. «Weil sowohl das Behindertengleichstellungsrecht als auch das Privatrecht es verbieten, in einem solchen Fall eine Busse zu erheben.»
    Sonams Mutter hat die 140 Franken inzwischen bezahlt. Ihr gehe es nicht ums Geld in dieser Sache, sondern um etwas ganz anderes. Deshalb sei sie mit dem Fall auch an die Öffentlichkeit. «Ich hoffe, dass das Personal der SBB ein bisschen Verständnis hat für die Menschen mit einer autistischen Beeinträchtigung. Und ein bisschen sensibel werden.»
    Quelle: SRF
    Untertitel: Andreas von Aspergistan

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