Bin IT-Ingenieur 40+ und schau mir das zur reinen Unterhaltung an 🙂Grundsätzlich mal ein ganz großes Lob an Christian Spannagel, Ihre Videos und Vorlesungen finde ich hervorragend! Meine profane Frage zu diesem Video: Was ist mit Ihrer Frisur passiert?
Bei dieser Art von Beweis habe ich ein kleines Problem: Warum kann ich mir sicher sein, dass ich das allgemeinste (=fieseste) Beispiel gewählt habe? Nur mal als Gedankenbeispiel: In einem besonders shrcklichen Vektorraum sind Spiegelungen aller Art keine Kongruenzabbildung. Wenn ich nun gleich orientierte dreiecke betrachte, dann käme ich zu dem Schluss, der Satz sei bewiesen. Für entgegen orientierte Dreiecke gilt er aber gerade nicht. Gibt es hierfür eine formal saubere Vorgangsweise?
Das ist gerade die Schwierigkeit mit geometrischen Beweisen. Im modernen mathematischen Sinne sollten sie eigentlich nicht als Beweise gültig sein, weil man immer in irgendeiner Weise schwammig bleiben wird. Die moderne Mathematik schafft da ja durch ihren rigorosen Formalismus enorm Abhilfe. Was ich bisher in meinem Mathematik-Studium (4. FS, Reine Mathematik an der TU München) mitbekommen habe, ist dass sich trotzdem viele Dozenten auf diese Arten von Beweisen einlassen (sofern man im R^n unterwegs ist) und dann sehr schlampig anhand von 2D und 3D Skizzen argumentieren. Ich kann diese Art von Beweisen wirklich gar nicht ausstehen, denke aber, dass das eigentlich nur den Hintergrund hat, dass man diese "einfachen geometrischen Beweise" wahrscheinlich "leicht" formalisieren kann. Sie werden dann nur leider deutlich länger und weniger anschaulich und deshalb macht das keiner. Finde es aber trotzdem schwierig, soetwas dann als einen Beweis zu verkaufen, wenn man das nicht davor ausreichend mit rigoroser Theorie unterfüttert hat (was meist ja nicht passiert).
@@derdu TU-München finde ich toll. Ich habe nicht Mathematik sondern Physik studiert, und zwar in Linz/Österreich. Die Doktorarbeit habe ich in Innsbruck begonnen und an der TU-München abgeschlossen. Aber die ersten beiden Semester waren fast ausschließlich Mathematik. Da wurden wir vorgewarnt, wie schlampig Physiker mit Mathematik umgehen. Und ja genau so it es auch. Bestimmte Rechengesetze für Reihen und Folgen gelten nur bei Konvergenz, die man immer prüfgen und beweisen muss. Das macht man in der Physik nicht, treu nach dem Motto, wenn das Ergebnis physikalisch sinnvoll sein soll, dann wird es schon konvergieren.
@@manfredwitzany2233 Ich ziehe meinen Hut. Physik finde ich auch mega interessant. Da sträubt sich nur wirklich alles in mir dagegen, was den Formalismus der modernen Mathematik so liebt. Ich fühle mich wirklich in Abstraktionen von Abstraktionen zuhause. Gerade habe ich frisch Algebra bei einer Dozentin (Frau Prof. Scheimbauer) gehört, die sich hauptsächlich mit höherer Kategorientheorie und deren Anwendung in der Quantenfeldtheorie beschäftigt. Hätte wirklich nicht gedacht, dass es da zwischen einem so hohen Absttaktionslevel wie der Kategorientheorie eine Verbindung in die Physik geben würde. Sie meinte auch, dass sie selbst erst "spät" (während oder nach ihrem Doktor) überhaupt in den Kontakt mit der Physik gekommen ist. Also vielleicht ergibt sich da ja sogar für mich noch was in der Zukunft :) Geometrischen Beweisen kann ich momentan leider trotzdem noch überhaupt nichts abgewinnen. Da hatte ich dieses Semester in einem eher Anwendungs-orientierten Modul (Einführung in die Optimierung) einige schlechte Erfahrungen gemacht: Ich saß wirklich einige Male in der Vorlesung und mir ist fast die Kinnlade runtergefallen, weil teilweile wirklich Hauptargumente über Aussagen in der "allgemeinen" Theorieentwicklung im R^n über Skizzen im R2 oder R3 geführt wurden. Da ist mir in 3 restlichen Fachsemestern noch nicht über den Weg gelaufen und ich hoffe sehr, dass mir so etwas auch nicht mehr oft in meinem Studium begegnen wird. Ich will damit auch keinen Physiker ankreiden - immerhin sind Physiker ja Physiker und nicht Mathematiker. Unter Physikern können manche Aussagen dann auch gerne als "das passt schon" verstanden werden. Dabei sollte sich dann in den meisten Fällen trotzdem ein Mathematiker fragen "Warum klappt das jetzt eigentlich hier mathematisch gesehen?", vor allem wenn man tatsächlich eine Art "Beweis" führt.
@@derdu Ich muss ehrlich gestehen, ich habe bereits bei der Topologie gemerkt, dass ich das zwar noch irgendwie hinbekomme, aber an meine Grenzen der Beweisführung gerate. Deshalb war die Topolgie für mich der Anlass, mich auf Physik zu konzentrieren. Zum Thema abstruse Methematik in der Physik gibt es noch ein sehr viel älteres Beispiel. Riemann hat - wie damals üblich - fünf Themen für seine Habilitation vorgeschlagen, wovon bis dahin immer eines der ersten beiden Themen angenommen wurde. Das fünfte Thema war Differntialgeometrie in nicht euklidischen Topologieen. Einer der Professoren meinte, darüber wollte ich schon immer etwas hören. Der wenig begeisterte Riemann musste nun dieses Thema bearbeiten und hat so Krümmungen in Topologieen als Tensoren definiert, wobei klar war, dass dieser Zweig völlig unbrauchbar war. Der Mathematiker Minkovski war davon beeindruckt und hat auch die Arbeit zur speziellen Relativitätstheorie von Einstein gelesen. Er fand heraus, dass in einem bestimmten vierdimensionalen, nichteuklidischen Vektorraum die Gleichungen der SRT überraschend einfach werden. In Diskussionen zwischen beiden erzählte Minkowksi dann auch von Riemanns Arbeit und den Raumkrümmungen. Beiden wurde klar, dass eine relativistische Gravitaion eine Raumkrümmung sein müsste. Das war der Schlüssel für die allgemeine Relativitätsteorie. Damit wurde Riemanns Arbeit zu einem fundamentalen Werkzeug der Physik.
@@derdu Vollkommen richtig. Zu meiner "Verteidigung": Diese Veranstaltung hier ist im Rahmen des Lehramtsstudiums. Hier kommt es nicht auf eine rigorose Beweisführung an, sondern um möglichst tragfähige Vorstellungen, die auch in den Schulunterricht hineinwirken können.
Bin IT-Ingenieur 40+ und schau mir das zur reinen Unterhaltung an 🙂Grundsätzlich mal ein ganz großes Lob an Christian Spannagel, Ihre Videos und Vorlesungen finde ich hervorragend! Meine profane Frage zu diesem Video: Was ist mit Ihrer Frisur passiert?
Danke für dein nettes Feedback! 🙏 Und: gute Frage - ich bin selbst erschrocken! 🤣
Bei dieser Art von Beweis habe ich ein kleines Problem: Warum kann ich mir sicher sein, dass ich das allgemeinste (=fieseste) Beispiel gewählt habe? Nur mal als Gedankenbeispiel:
In einem besonders shrcklichen Vektorraum sind Spiegelungen aller Art keine Kongruenzabbildung. Wenn ich nun gleich orientierte dreiecke betrachte, dann käme ich zu dem Schluss, der Satz sei bewiesen. Für entgegen orientierte Dreiecke gilt er aber gerade nicht. Gibt es hierfür eine formal saubere Vorgangsweise?
Das ist gerade die Schwierigkeit mit geometrischen Beweisen. Im modernen mathematischen Sinne sollten sie eigentlich nicht als Beweise gültig sein, weil man immer in irgendeiner Weise schwammig bleiben wird. Die moderne Mathematik schafft da ja durch ihren rigorosen Formalismus enorm Abhilfe. Was ich bisher in meinem Mathematik-Studium (4. FS, Reine Mathematik an der TU München) mitbekommen habe, ist dass sich trotzdem viele Dozenten auf diese Arten von Beweisen einlassen (sofern man im R^n unterwegs ist) und dann sehr schlampig anhand von 2D und 3D Skizzen argumentieren. Ich kann diese Art von Beweisen wirklich gar nicht ausstehen, denke aber, dass das eigentlich nur den Hintergrund hat, dass man diese "einfachen geometrischen Beweise" wahrscheinlich "leicht" formalisieren kann. Sie werden dann nur leider deutlich länger und weniger anschaulich und deshalb macht das keiner. Finde es aber trotzdem schwierig, soetwas dann als einen Beweis zu verkaufen, wenn man das nicht davor ausreichend mit rigoroser Theorie unterfüttert hat (was meist ja nicht passiert).
@@derdu TU-München finde ich toll. Ich habe nicht Mathematik sondern Physik studiert, und zwar in Linz/Österreich. Die Doktorarbeit habe ich in Innsbruck begonnen und an der TU-München abgeschlossen. Aber die ersten beiden Semester waren fast ausschließlich Mathematik. Da wurden wir vorgewarnt, wie schlampig Physiker mit Mathematik umgehen. Und ja genau so it es auch. Bestimmte Rechengesetze für Reihen und Folgen gelten nur bei Konvergenz, die man immer prüfgen und beweisen muss. Das macht man in der Physik nicht, treu nach dem Motto, wenn das Ergebnis physikalisch sinnvoll sein soll, dann wird es schon konvergieren.
@@manfredwitzany2233 Ich ziehe meinen Hut. Physik finde ich auch mega interessant. Da sträubt sich nur wirklich alles in mir dagegen, was den Formalismus der modernen Mathematik so liebt. Ich fühle mich wirklich in Abstraktionen von Abstraktionen zuhause.
Gerade habe ich frisch Algebra bei einer Dozentin (Frau Prof. Scheimbauer) gehört, die sich hauptsächlich mit höherer Kategorientheorie und deren Anwendung in der Quantenfeldtheorie beschäftigt. Hätte wirklich nicht gedacht, dass es da zwischen einem so hohen Absttaktionslevel wie der Kategorientheorie eine Verbindung in die Physik geben würde. Sie meinte auch, dass sie selbst erst "spät" (während oder nach ihrem Doktor) überhaupt in den Kontakt mit der Physik gekommen ist. Also vielleicht ergibt sich da ja sogar für mich noch was in der Zukunft :)
Geometrischen Beweisen kann ich momentan leider trotzdem noch überhaupt nichts abgewinnen. Da hatte ich dieses Semester in einem eher Anwendungs-orientierten Modul (Einführung in die Optimierung) einige schlechte Erfahrungen gemacht: Ich saß wirklich einige Male in der Vorlesung und mir ist fast die Kinnlade runtergefallen, weil teilweile wirklich Hauptargumente über Aussagen in der "allgemeinen" Theorieentwicklung im R^n über Skizzen im R2 oder R3 geführt wurden. Da ist mir in 3 restlichen Fachsemestern noch nicht über den Weg gelaufen und ich hoffe sehr, dass mir so etwas auch nicht mehr oft in meinem Studium begegnen wird.
Ich will damit auch keinen Physiker ankreiden - immerhin sind Physiker ja Physiker und nicht Mathematiker. Unter Physikern können manche Aussagen dann auch gerne als "das passt schon" verstanden werden. Dabei sollte sich dann in den meisten Fällen trotzdem ein Mathematiker fragen "Warum klappt das jetzt eigentlich hier mathematisch gesehen?", vor allem wenn man tatsächlich eine Art "Beweis" führt.
@@derdu Ich muss ehrlich gestehen, ich habe bereits bei der Topologie gemerkt, dass ich das zwar noch irgendwie hinbekomme, aber an meine Grenzen der Beweisführung gerate. Deshalb war die Topolgie für mich der Anlass, mich auf Physik zu konzentrieren.
Zum Thema abstruse Methematik in der Physik gibt es noch ein sehr viel älteres Beispiel. Riemann hat - wie damals üblich - fünf Themen für seine Habilitation vorgeschlagen, wovon bis dahin immer eines der ersten beiden Themen angenommen wurde. Das fünfte Thema war Differntialgeometrie in nicht euklidischen Topologieen. Einer der Professoren meinte, darüber wollte ich schon immer etwas hören. Der wenig begeisterte Riemann musste nun dieses Thema bearbeiten und hat so Krümmungen in Topologieen als Tensoren definiert, wobei klar war, dass dieser Zweig völlig unbrauchbar war. Der Mathematiker Minkovski war davon beeindruckt und hat auch die Arbeit zur speziellen Relativitätstheorie von Einstein gelesen. Er fand heraus, dass in einem bestimmten vierdimensionalen, nichteuklidischen Vektorraum die Gleichungen der SRT überraschend einfach werden. In Diskussionen zwischen beiden erzählte Minkowksi dann auch von Riemanns Arbeit und den Raumkrümmungen. Beiden wurde klar, dass eine relativistische Gravitaion eine Raumkrümmung sein müsste. Das war der Schlüssel für die allgemeine Relativitätsteorie. Damit wurde Riemanns Arbeit zu einem fundamentalen Werkzeug der Physik.
@@derdu Vollkommen richtig. Zu meiner "Verteidigung": Diese Veranstaltung hier ist im Rahmen des Lehramtsstudiums. Hier kommt es nicht auf eine rigorose Beweisführung an, sondern um möglichst tragfähige Vorstellungen, die auch in den Schulunterricht hineinwirken können.