Ich schaue die Videos von "Text und Bühne" unheimlich gerne. Es gibt immer wieder etwas zu entdecken, als Frisch-Freund waren mir ein Grossteil dieser Aufnahmen bislang unbekannt. Herzlichen Dank also für die Bekanntmachung mit ihnen. Es grüsst, Ich.
In der Schule mussten wir Homo Farber lesen, angeblich sein bestes Werk. Wenn das seine beste Leistung war, so möchte ich nicht wissen, was er denn im Schlechten verbrochen hat.
Ich habe in der Schule auch Andorra lesen müssen, und war enttäuscht. Ich kann mich heute nicht erinnern und damals habe ich es nicht verstanden. Jetzt, ein paar Jahre später, habe ich (genau vor einer Woche) Homo faber zu Ende gelesen. Ich verstehe, dass man nichts von dem Buch halten kann, dass es vielleicht schwierig ist, einen Zugang dazu zu bekommen - vor allem wenn man gezwungen wird, es zu lesen. Doch die Grundproblematik von Walter Faber, sein Leben in einer Rolle zu leben, die ihm den Weg zu seiner eigentlichen Identität verstellt, wird uns weiterhin begleiten. In einer alten Lektürenhilfe von Klett habe ich folgendes gefunden: „Der Soziologe Ralf Dahrendorf vergleicht die soziale Welt mit der Bühne und die handelnden Menschen mit Spielern. Er vertritt die Theorie, das Handeln der Menschen sei etwas Äußerliches, was man von seinem eigentlichen Selbst ablösen kann. Der Mensch könnte sich nur als Rollenträger gesellschaftlich verwirklichen, und die Sozialisation bewirke den Prozess der Rollenaneignung. Das heißt: Durch die Auseinandersetzung mit seiner privaten und öffentlichen Umgebung nimmt der Mensch bestimmte Verhaltensweisen an, bewusst oder unbewusst, und wird so zu einem Rollenwesen, das Schwierigkeiten hat, zu seiner eigenen Identität zu finden. Das Rollenbild, das der Mensch sich von sich selbst macht und das den Zugang zu seinem eigentlichen Selbst verstellt, bezeichnet Frisch als „Bildnis“. Hinter diesem „Bildnis“ verbirgt sich die wahre Identität des Men-schen, und der Mensch als Rollenwesen besitzt lediglich eine Scheinidentität und führt ei-ne verfehlte Existenz. Seine Aufgabe ist es, sich zum eigentlichen Selbst, zum wirklichen Leben durchzudringen. Dieses „Bildnis“ des Menschen von sich selbst ist zum großen Teil gesellschaftlich ver-mittelt: Der Mensch erlebt die Erwartungen und Reaktionen seiner Umwelt, die sein Verhalten interpretiert, und richtet sich danach - oder gerade nicht. Damit lässt er sich von der Umwelt in ein bestimmtes Muster, in ein „Klischee“ zwingen. Das Selbstbild, die Rolle eines Menschen, ist also in starkem Maße die Auswirkung eines Bildes, das sich die Gesellschaft von ihm macht, der Rolle, in der sie ihn sehen will. Bildnis bedeutet also für Frisch ein erstarrtes, unflexibles Bild von sich selbst, von andern und von der Welt, wodurch dem Ich oder den andern die Möglichkeit der Entwicklung oder Wandlung abgesprochen wird. Das starre „Bildnis“ grenzt den Spielraum des Menschen ein und reduziert Selbst-, Fremd- und Weltbild allein auf das dem „Bildnis“ Gemäße. Der Mensch gestaltet und deutet sein Leben, sein Verhalten sich, den andern und der Welt gegenüber so, wie es die von ihm angenommene bzw. gesellschaftlich vermittelte Rolle von ihm fordert. Er lässt nur die Gegebenheiten und Erinnerungen gelten, die seinem gegenwärtigen Selbstbild entsprechen, und verdrängt, verfälscht und ignoriert das, was nicht zur Rolle passt. Er erfindet sich eine „Geschichte“, die er „für sein Leben hält, wie Frisch sagt. Diese Geschichte verstellt dem Menschen den Weg zur Realität." Man existiert also am Leben vorbei, wenn man ein fremdes Bildnis zur Grundlage der eigenen Identität macht. Und da kenne ich viele Bücher, die genau dieses Thema aufgreifen - doch in Homo faber ist es, meiner Meinung nach, besonders ausdrücklich und schön ausgeführt.
Ich schaue die Videos von "Text und Bühne" unheimlich gerne. Es gibt immer wieder etwas zu entdecken, als Frisch-Freund waren mir ein Grossteil dieser Aufnahmen bislang unbekannt. Herzlichen Dank also für die Bekanntmachung mit ihnen. Es grüsst, Ich.
Schweizer Temperament gut zum Hören, sehr gefährlich wenn es in der Wirtschaft auftaucht
Hej, Max. Frisch. Du
Bist.. Mir. Immer. Ehrlich. Gewesen.
Es waren fraglos bessere Zeiten: nicht leichter aber lebendiger und in gewisser Weise sogar noch ein wenig abenteuerlich...
Ein toller Beitrag!
Was ist an dem so besonders?
Draußen wird es frisch
draußen wird es max
@@varvara8219 frisch ist im max draußen
@@YeahYee2629 ich glaube max ist im frisch draußen
🙋♂️
Was faszinierte Ingeborg an ihm??
Seine Sanftmut
Via Appia - eine Begräbnisstraße. Wurden da nicht auch Christen gekreuzigt?
... Auch Sklaven, die vom Spartacus-Aufstand.
selbstverständlich und die Sklaven vom Spartakusaufstand. Interessant auch, wie schlecht die Straße in den 60er Jahren war.
7:10
11:00
versteht jemand das faulkner zitat? bei 5:36
"To make money"
danke! wie lange habe ich das nicht verstanden....
to maik monäy
ein wenig Moralist zu sein ist zwar aus der Mode gekommen aber ist für das Überleben der Menschheit unerlässlich.
heute - in den Zeiten des Untergangs, würde "ein wenig" nicht helfen. Wir bräuchten Fackelträger einer starken Moral, leuchtende Ideale!
In der Schule mussten wir Homo Farber lesen, angeblich sein bestes Werk. Wenn das seine beste Leistung war, so möchte ich nicht wissen, was er denn im Schlechten verbrochen hat.
Kleingeist.
Wenn mich das nicht mögen von Max Frisch zum Kleingeist macht, dann bin ich gern einer.
@@Ivalid321 Dürfte ich eine ausführlichere Kritik von dir hören? Würde mich interessieren, danke.
Ich habe in der Schule auch Andorra lesen müssen, und war enttäuscht. Ich kann mich heute nicht erinnern und damals habe ich es nicht verstanden.
Jetzt, ein paar Jahre später, habe ich (genau vor einer Woche) Homo faber zu Ende gelesen. Ich verstehe, dass man nichts von dem Buch halten kann, dass es vielleicht schwierig ist, einen Zugang dazu zu bekommen - vor allem wenn man gezwungen wird, es zu lesen. Doch die Grundproblematik von Walter Faber, sein Leben in einer Rolle zu leben, die ihm den Weg zu seiner eigentlichen Identität verstellt, wird uns weiterhin begleiten.
In einer alten Lektürenhilfe von Klett habe ich folgendes gefunden:
„Der Soziologe Ralf Dahrendorf vergleicht die soziale Welt mit der Bühne und die handelnden Menschen mit Spielern. Er vertritt die Theorie, das Handeln der Menschen sei etwas Äußerliches, was man von seinem eigentlichen Selbst ablösen kann. Der Mensch könnte sich nur als Rollenträger gesellschaftlich verwirklichen, und die Sozialisation bewirke den Prozess der Rollenaneignung. Das heißt: Durch die Auseinandersetzung mit seiner privaten und öffentlichen Umgebung nimmt der Mensch bestimmte Verhaltensweisen an, bewusst oder unbewusst, und wird so zu einem Rollenwesen, das Schwierigkeiten hat, zu seiner eigenen Identität zu finden. Das Rollenbild, das der Mensch sich von sich selbst macht und das den Zugang zu seinem eigentlichen Selbst verstellt, bezeichnet Frisch als „Bildnis“. Hinter diesem „Bildnis“ verbirgt sich die wahre Identität des Men-schen, und der Mensch als Rollenwesen besitzt lediglich eine Scheinidentität und führt ei-ne verfehlte Existenz. Seine Aufgabe ist es, sich zum eigentlichen Selbst, zum wirklichen Leben durchzudringen.
Dieses „Bildnis“ des Menschen von sich selbst ist zum großen Teil gesellschaftlich ver-mittelt: Der Mensch erlebt die Erwartungen und Reaktionen seiner Umwelt, die sein Verhalten interpretiert, und richtet sich danach - oder gerade nicht. Damit lässt er sich von der Umwelt in ein bestimmtes Muster, in ein „Klischee“ zwingen. Das Selbstbild, die Rolle eines Menschen, ist also in starkem Maße die Auswirkung eines Bildes, das sich die Gesellschaft von ihm macht, der Rolle, in der sie ihn sehen will.
Bildnis bedeutet also für Frisch ein erstarrtes, unflexibles Bild von sich selbst, von andern und von der Welt, wodurch dem Ich oder den andern die Möglichkeit der Entwicklung oder Wandlung abgesprochen wird. Das starre „Bildnis“ grenzt den Spielraum des Menschen ein und reduziert Selbst-, Fremd- und Weltbild allein auf das dem „Bildnis“ Gemäße. Der Mensch gestaltet und deutet sein Leben, sein Verhalten sich, den andern und der Welt gegenüber so, wie es die von ihm angenommene bzw. gesellschaftlich vermittelte Rolle von ihm fordert. Er lässt nur die Gegebenheiten und Erinnerungen gelten, die seinem gegenwärtigen Selbstbild entsprechen, und verdrängt, verfälscht und ignoriert das, was nicht zur Rolle passt. Er erfindet sich eine „Geschichte“, die er „für sein Leben hält, wie Frisch sagt. Diese Geschichte verstellt dem Menschen den Weg zur Realität."
Man existiert also am Leben vorbei, wenn man ein fremdes Bildnis zur Grundlage der eigenen Identität macht. Und da kenne ich viele Bücher, die genau dieses Thema aufgreifen - doch in Homo faber ist es, meiner Meinung nach, besonders ausdrücklich und schön ausgeführt.
Jo, ist halt auch eines der besten deutschsprachigen Bücher überhaupt.