Was halten Sie vom Münchhausen-Trilemma in Bezug auf Kants Kategorischen Imperativ?
3 года назад+2
Das Münchhausen-Trilemma stellt sich vorrangig bei Begründungen, die in deduktiver Weise speziellere Sätze durch allgemeinere Sätze rechtfertigen. In solch einem argumentativen Rahmen erhebt sich dann die Frage, ob und wo ein Anfang dieser Reihe anzunehmen wäre, und die einzigen Optionen scheinen Regress, Zirkel oder Dogma zu sein (und damit weitgehend unbefriedigend). Viele philosophische Begründungen sind aber an entscheidenden Stellen nicht deduktiver Art. Transzendentale Begründungen beispielsweise (entlang der Frage nach der Bedingung der Möglichkeit von etwas Gegebenem, namentlich von Erscheinungen bzw. Erfahrungen) sind nicht in diesem Sinne deduktiv und dürften damit dem Münchhausen-Trilemma entgehen. Nun ist Kants eigene Ethik nicht wesentlich transzendental konstruiert. Der Kategorische Imperativ hat zwar bei Kant den Status eines synthetischen Satzes a priori, aber man kann wohl nicht behaupten, dass er als Bedingung der Möglichkeit von etwas Gegebenem hergeleitet wird (jedenfalls nicht von Erscheinungen oder Erfahrungen). Wohl aber lässt sich Kants Begründung des Kategorischen Imperativs als eine vertiefte Analyse dessen verstehen, was Moral ihrem Wesen nach zu sein oder zu leisten hat, nämlich dass sie ein reines Gesetz darstellt (manche modernen Autorinnen und Autoren in Kants Nachfolge würden dies vielleicht primär als sprachanalytischen Ansatz rekonstruieren wollen, der die grundsätzliche Bedeutung moralischer Sätze erhebt). Wenn der Kategorische Imperativ nun auf solche Weise begründet wird, d.h. aus dem Gedanken, dass Moral ihrem Wesen nach als ein reines Gesetz zu verstehen ist, dann ist handelt es sich wohl nicht mehr um eine deduktive Ableitung aus einem allgemeineren Satz, sondern eher um eine interpretatorische Analyse, so dass sich hier das übliche Trilemma von Regress, Zirkel oder Dogma nicht mehr auftut.
Kann man John Rawls noch überhaupt zur deontologischen Ethik zählen? Er hat sich seit seinem Buch „Politischer Liberalismus“ zurückgehalten, seine Theorie als eine ethische Theorie zu bezeichnen. Stattdessen will er seine Theorie lediglich als eine von Metaphysik unabhänige politische Philosophie verstanden wissen
Echt eine gelungene Vortragsreihe! Vielen Dank
29:27 müsste "nicht gewollt werden" heißen.
Exakt! Da ist mir leider ein Versprecher unterlaufen.
Was halten Sie vom Münchhausen-Trilemma in Bezug auf Kants Kategorischen Imperativ?
Das Münchhausen-Trilemma stellt sich vorrangig bei Begründungen, die in deduktiver Weise speziellere Sätze durch allgemeinere Sätze rechtfertigen. In solch einem argumentativen Rahmen erhebt sich dann die Frage, ob und wo ein Anfang dieser Reihe anzunehmen wäre, und die einzigen Optionen scheinen Regress, Zirkel oder Dogma zu sein (und damit weitgehend unbefriedigend).
Viele philosophische Begründungen sind aber an entscheidenden Stellen nicht deduktiver Art. Transzendentale Begründungen beispielsweise (entlang der Frage nach der Bedingung der Möglichkeit von etwas Gegebenem, namentlich von Erscheinungen bzw. Erfahrungen) sind nicht in diesem Sinne deduktiv und dürften damit dem Münchhausen-Trilemma entgehen.
Nun ist Kants eigene Ethik nicht wesentlich transzendental konstruiert. Der Kategorische Imperativ hat zwar bei Kant den Status eines synthetischen Satzes a priori, aber man kann wohl nicht behaupten, dass er als Bedingung der Möglichkeit von etwas Gegebenem hergeleitet wird (jedenfalls nicht von Erscheinungen oder Erfahrungen).
Wohl aber lässt sich Kants Begründung des Kategorischen Imperativs als eine vertiefte Analyse dessen verstehen, was Moral ihrem Wesen nach zu sein oder zu leisten hat, nämlich dass sie ein reines Gesetz darstellt (manche modernen Autorinnen und Autoren in Kants Nachfolge würden dies vielleicht primär als sprachanalytischen Ansatz rekonstruieren wollen, der die grundsätzliche Bedeutung moralischer Sätze erhebt). Wenn der Kategorische Imperativ nun auf solche Weise begründet wird, d.h. aus dem Gedanken, dass Moral ihrem Wesen nach als ein reines Gesetz zu verstehen ist, dann ist handelt es sich wohl nicht mehr um eine deduktive Ableitung aus einem allgemeineren Satz, sondern eher um eine interpretatorische Analyse, so dass sich hier das übliche Trilemma von Regress, Zirkel oder Dogma nicht mehr auftut.
@ Danke für diesen Kommentar und den daraus folgenden Gedankenanstoß - das hilft beim Einordnen. Ich werde noch ein wenig darüber sinnieren.
Der Utilitarismus sollte eigentlich teleologisch sein oder nicht?
Ja, der *Akt*-Utilitarismus ist das auch. Aber der *Regel*-Utilitarismus hat durchaus deontologische Anteile.
Kann man John Rawls noch überhaupt zur deontologischen Ethik zählen? Er hat sich seit seinem Buch „Politischer Liberalismus“ zurückgehalten, seine Theorie als eine ethische Theorie zu bezeichnen. Stattdessen will er seine Theorie lediglich als eine von Metaphysik unabhänige politische Philosophie verstanden wissen
Super Vortrag!
13:36