Moderner Monolog - Christoph Gerard Stein - Und jetzt die Welt - Sybille Berg

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  • Опубликовано: 13 сен 2024
  • Inhalt :
    Sie sind klug, gut ausgebildet und leben in prekären Verhältnissen, weil auch das x-te Praktikum kein Geld bringt. Sie verkaufen selbstgekochte Drogen im Internet, schreiben Mode-Blogs und steigern den Marktwert ihres Körpers im Fitnessstudio, obwohl sie den Markt verachten. Sie kommunizieren per Skype, SMS, Chat oder Telefon, und doch bleibt da ein Gefühl von überwältigender Einsamkeit. Eine junge Frau bilanziert in Sibylle Bergs «Text für eine Person und mehrere Stimmen» ihr bisheriges Leben: früher Mitglied einer brutalen Mädchengang, heute friedlich Yoga, früher unbeholfenes Knutschen mit Jungs im Zeltlager, heute Gender-Fragen und die Projekte «Sex» und «Liebe» mit Männern oder Frauen, früher hochfliegende Ideale, heute Pragmatismus. Sehnsucht ist etwas, das man hauptsächlich aus Filmen kennt, Familie ein Verbund, den man sich selbst zusammenstellt, und immer lauert draußen die Welt, stellt Forderungen und diktiert Bilder, denen man unmöglich genügen kann.
    Gnadenlos und zugleich mit großer Zärtlichkeit porträtiert Sibylle Berg vier Frauen Anfang 20, die - schwankend zwischen Aggression und Apathie, Aufbruch und Abgeklärtheit - unsicher sind, wofür sie kämpfen sollen, und bei denen schon das Wort «wir» für berechtigte Skepsis sorgt.
    Text:
    Sie sehen hier den Alfred Meier, hat jeden Tag die gleiche Leier:
    Er steht um acht in seinem Laden, verkauft an Angler alte Maden,
    nach Hause geht er in der Nacht,
    dort wird noch schnell ein Brot gemacht,
    das isst er auf und schaut gen Himmel und denkt sich:
    Hab ich einen Fimmel, die Arbeit mach ich, um zu leben, doch Leben kann’s so keines geben,
    und müde liegt der Meier dann, schaut in der Nacht die Tränen an, die aus seinen Augen fallen, und kann auch leise nur noch lallen:
    Lieber Gott, ich bitt dich sehr, gib mir schnell mehr Freizeit her.
    Der Gott ist gerade Urlaub machen und kümmert sich um andre Sachen.
    Tieftraurig schläft der Meier ein,
    im Traum,
    da kann er Playboy sein, dann wacht er auf, und es ist grau, dem Meier wird schon morgens flau. Doch am Wochenende dann, wenn der Meier leben kann,
    liegt er im Bett und ihm ist kalt,
    er spürt, nun wird er langsam alt,
    kann sich kein anderes Leben denken und prüft, an Haken sich zu henken,
    er läuft um Häuserblocks herum, das wird ihm auch recht flott zu dumm.
    Er freut sich auf den Montag dann, wo er zu seinen Maden kann,
    dann kommt der Höhepunkt im Jahr, Herr Meier reist nach Sansibar,
    liegt dort im Bett und schwimmt im Meer,
    das langweilt ihn doch furchtbar sehr.
    So wird der Meier immer älter, die Raucherbeine immer kälter.
    Eines Tages ist er tot, mit ihm vorbei die ganze Not.
    In seiner Wohnung findet man sehr viele Fotos irgendwann,
    da ist der Meier drauf zu sehn,
    beim Um-die-Häuserblocks-Rumgehn,
    beim Baden in diversen Meeren,
    beim Gähnen in so vielen Sphären,
    die Fotos landen auf dem Müll, der Meier liegt auch endlich stüll,
    verwest recht fein, und ihm ist klar, dass leben nur ein Irrtum war.
    Erhältlich:
    amzn.to/2VYmkeA

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