Jörn Leonhard: Der überforderte Frieden: Selbstbestimmung zwischen Erwartung und Erfahrung nach 1918

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  • Опубликовано: 21 окт 2024
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    Als im Frühjahr 1919 aus aller Welt Diplomaten und Staatsmänner nach Paris kamen, um den größten Krieg zu beenden, den die Welt bis dahin gesehen hatte, und eine neue Friedensordnung zu errichten, lag eine ungeheure Aufgabe vor ihnen. Die Friedenskonferenzen von Paris 1919/20 konfrontierten die Zeitgenossen noch einmal mit den globalen Folgen eines industrialisierten Massenkriegs, in dem mit immer längerer Dauer immer umfassendere Erwartungen an die Nachkriegsphase entstanden waren. Das zeigte sich ab 1917, als mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, der Oktoberrevolution der Bolschewiki und den Friedensprogrammen des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilsons und W. I. Lenins eine Binnenschwelle des Krieges erreicht war. „Self determination“ als demokratische Selbstregierung und nationale Selbstbestimmung avancierte vor diesem Hintergrund zu einem Schlüsselbegriff der Nachkriegsordnung - ob in den neuen, aus den multiethnischen Imperien entstehenden Staaten oder den vielen Regionen, deren Zugehörigkeit umstritten blieb. Welche Erwartungen die Zeitgenossen mit dem neuen Konzept verknüpften, und welche Probleme und Widersprüche sich in der Praxis vor Ort entfalteten, beleuchtet der Vortrag in einem internationalen Vergleich. Hier erwies sich exemplarisch, dass der Moment von 1919/20 weit über die Friedensverträge von Versailles, St. Germain, Trianon, Sèvres und Lausanne hinaus eine Probe für das bedeutete, was man bis in die Gegenwart als Grundproblem der modernen Politik verstehen kann - die doppelte Spannung zwischen Erwartung und Erfahrung und zwischen dem Sagbaren und dem Machbaren.
    Jörn Leonhard ist Universitätsprofessor für Neuere und Neueste Geschichte Westeuropas an der Universität Freiburg im Breisgau, Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und Honorary Fellow des Wadham College der Universität Oxford. In den letzten Jahren hat er zwei umfangreiche Gesamtdarstellungen zur globalen Geschichte des Ersten Weltkriegs („Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs“ (2014, übersetzt ins Englische und Chinesische und mehrfach mit Preisen ausgezeichnet)) und der Nachkriegsjahre 1918-1923 („Der überforderte Frieden. Versailles und die Welt 1918-1923“ (2018)) vorgelegt.
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    Der Vortrag wurde im Rahmen des Symposiums "Selbstbestimmung als Utopie? Volksabstimmungen 1920 im europäischen Vergleich" am 7. Oktober 2020 an der Universität Klagenfurt gehalten. Die Veranstaltung war Teil der Reihe Utopia! Ist die Welt aus den Fugen? Beiträge zur Kunst der Aufklärung (veranstaltet von der Universität Klagenfurt gemeinsam mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften).

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