Ich seh‘ etwas, was du nicht bist

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  • Опубликовано: 6 авг 2024
  • Hallo, ich wollte euch heute mal von einer Trainingssituation berichten, die Doro und ich
    vor kurzem erlebt haben - sozusagen aus dem realen Leben eines Trainer-Duos.
    Meine Überschrift dafür wäre wahrscheinlich sowas wie: "Ich sehe was, was du gar nicht
    bist."
    Die Situation war folgende:
    Eine Abteilung besteht aus zwei Teams, die an ziemlich weit entfernten Standorten in
    Deutschland ihre Arbeit machen. Das war oder ist eine Büroarbeit, also keine
    Produktion, Logistik oder ähnliches.
    Und beide Teams arbeiten werktäglich, zum Teil zeitversetzt, Hand in Hand an
    denselben Aufgaben und Zielen.
    Diese Trennung an zwei Standorten dient eigentlich nur einer technischen entkoppelten
    Redundanz, damit, wenn bei dem einen Team etwas nicht funktioniert, das andere
    einspringen kann - und natürlich dient es auch ein Stück weit einem zeitlichen Versatz,
    in einer Art Schichtsystem.
    Das Besondere oder vielleicht auch Typische für unsere Post-Pandemie-Zeit:
    Manche waren sich bis zu unserer Veranstaltung noch nie persönlich begegnet!
    Das waren locker bis zu drei Jahre; sie kannten sich gegenseitig nur wie so eine Art -
    ähnlich wie ich jetzt - platte Oberkörper mit Kopf, aber im Monitor.
    Bei ihnen wechselten dann ab und zu mal die Kleidung oder die Lichtverhältnisse oder
    vielleicht sogar der Hintergrund.
    Aber ich würde sagen, wenn ich mir das überlege, das
    war ein idealer - und ist auch wahrscheinlich bei vielen heute noch ein idealer -
    Nährboden für unausgesprochene Vorannahmen, für unbelegte Rückschlüsse über „die
    Anderen“.
    Warum kann ich das überhaupt behaupten?
    Naja, wir wissen, unser Gehirn füllt nur zu gerne alle Lücken mit ganz viel Fantasie, denn
    es hasst unbeantwortete Fragen. Also, das kennst du bestimmt auch. Wir merken es nur
    häufig nicht.
    Unser Gehirn ist obendrein auch noch auf Effizienz trainiert, weil es ununterbrochen
    unnütze Information ausfiltern muss, um überhaupt durchzuhalten.
    Nichts ist also leichter, als beim Gegenüber NICHT nachzufragen und sich einfach
    seinen eigenen Teil zu denken.
    Fakt und Fiktion über dieses bewegte Bild - also dieses bewegte digitale Bild meines
    Gegenüber - und dessen vermeintlichen Charakter, verschwimmen dann ganz fix.
    Vereinfacht ausgedrückt: Ich urteile lieber über dich, statt dich offen zu fragen.
    Eine spannende Herausforderung für vernetztes Teamwork, meinst du das nicht auch?
    Wie oft haben wir in Trainings schon gehört,
    • dass die anderen es grundsätzlich leichter haben.
    • Wie schwierig es ist, die Fehler der anderen zu verzeihen, wenn man selbst nur
    ganz wenige und unbedeutende macht
    • Wie ignorant die anderen doch sind, dass ich auf meine ach so wichtige Anfrage
    nicht umgehend eine Antwort erhalte.
    Du kennst bestimmt auch ähnliche Klagen.
    Was also tun?
    Gerade wenn man so weit entfernt arbeitet wie diese Leuten haben wir ein bewährtes
    Rezept mit vier Zutaten, das echt Wunder wirken kann:
    Nämlich erstens: Begegnung beider Teams offsite, natürlich mit Abendveranstaltung.
    Also alle zusammen gut durchmischen, statt hier und da Meetings in Kleingruppen oder
    gar 1:1 zu veranstalten.
    Zweitens: In gemischten Gruppen zusammen alltagsfremde Herausforderungen
    angehen. Sich einfach einmal positiv überraschen lassen, was zusammen alles
    machbar ist oder sein könnte, wenn man sich eben besser kennt.
    Drittens: Alle gemeinsam raus in die Natur und noch fremde Kolleginnen und Kollegen
    von einer ganz anderen Seite erleben.
    Und viertens: Ganz wichtig; ins Gespräch kommen über Gemeinsamkeiten und
    lehrreiche Unterschiede. Ungehemmt lachen, Vertrautheit spüren, sich gegenseitig Mut machen.
    Unser Appell lautet also: schafft euch immer wieder Gelegenheiten, um zusammen
    Abstand von euren Alltagsrollen zu nehmen.
    Das hilft immens, Missverständnisse dauerhaft aus dem Weg zu räumen und Vorurteile
    abzubauen - gerade in dieser digitalisierten Arbeitswelt, wo der reale Umgang mit
    Kolleginnen und Kollegen doch drastisch weniger geworden ist, oder?

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